Christina, warum bist du Teil von Keychange?
Ich bin Teil vom Reeperbahn Festival – und damit Teil von Keychange – weil wir glauben, dass die ganze Musikindustrie eine bessere wird, wenn mehr Frauen involviert sind.
Keychange bringt künftig Künstler*innen aus zwölf Ländern zusammen. Was steckt hinter dieser Netzwerk-Idee?
Wir profitieren ganz stark davon, wenn wir uns über Grenzen hinweg austauschen. Das Prinzip ist doch relativ einfach: Menschen kennenlernen, Möglichkeiten sehen. Es ist super inspirierend, so viele coole Frauen zu treffen. Man traut sich viel mehr zu, wenn man weiß, dass es andere gibt, die auch den Mund aufmachen, sich nach vorne stellen und zum Beispiel sagen: „Ja, klar verdiene ich es, besser bezahlt zu werden!“
Ihr sagt aber auch: Es geht nicht nur um Frauen. Was meinst du damit?
Gleichstellung ist ein Thema, das die ganze Gesellschaft angeht. Viele Frauen sind einfach wahnsinnig gut ausgebildet. Die Musikindustrie stellt sich selbst ein Bein – und riskiert mittel- und langfristig auch ihren wirtschaftlichen Erfolg – wenn sie diesen Teil der Gesellschaft ausblendet. Viele Headliner-Festivals argumentieren immer noch: „Wir wollen ja gerne mehr Frauen buchen, aber wir müssen auch Tickets verkaufen.“ Ja, kann schon sein, dass die Rechnung kurzfristig noch stimmt. Wir wissen aber, dass das auf lange Sicht ein Fehler ist. Es ist wichtig, dass es so ein Programm wie Keychange gibt, weil die Musikbranche in sich ein Selbstverständnis hat, dass alle gleichberechtigt sind, alle cool sind miteinander, es super viele tolle Frauen auf der Bühne gibt. Ja. Gibt’s. Und dennoch! Gerade bildet das die Struktur noch nicht ab.
In diesem Jahr hat das Reeperbahn Festival die Leitung der Keychange-Initiative von der PRS Foundation übernommen. Was ändert sich?
Was unterscheidet ein Festival von einer Stiftung? Es ist lauter, es ist mehr Popkultur, es ist vielleicht auch ein bisschen mehr „auf die Fresse“ und nach vorne. Keychange passt zu unserer Veranstaltung, wir können eine starke Plattform bieten für die Themen gender equality und female empowerment. In der nächsten Runde von Keychange expandieren wir, es gibt mehr Partner, eine längere Laufzeit, mehr Geld.
… ihr habt mit der Initiative 1,4 Millionen Euro von der EU eingeworben.
Das ist noch nicht mal das gesamte Volumen, das in das Projekt fließt. Um alles umsetzen zu können, brauchen wir 2,8 Millionen. Bei EU-Projekten ist es üblich, dass die Hälfte von der europäischen Kommission gefördert wird – und der Rest kommt über Sponsoren und Partner. Und über die Eigenleistung, die Partner wie das Reeperbahn Festival erbringen, zum Beispiel indem wir Auftrittsmöglichkeiten bieten.
„Wenn man dieses irre Netzwerk spürt – das ist großartig.“
Christina Schäfers
Auf dem Reeperbahn Festival habt ihr die zweite Phase der Keychange-Initiative vorgestellt – was kommt jetzt als nächstes?
Der nächste große Meilenstein ist am 4. Oktober, ab dann können sich Künstler*innen und Innovator*innen dafür bewerben, ein Jahr bei Keychange dabei zu sein. Das bedeutet: Auftrittsmöglichkeiten auf den teilnehmenden Festivals, außerdem geht es um die Teilnahme am Creative-Lab-Programm, also an Workshops, Konferenzen und dem Mentoring. Im November wird ausgewählt, im Januar gibt’s ein großes Meeting, bei dem alle zusammenkommen. Das hat schon in der ersten Runde super funktioniert – da entsteht die beste Energie, der beste Austausch, das größte Gefühl von „Krass, das ist kein nationales Problem, kein persönliches Problem, sondern ein globales.“ Wenn man diese Verbindung einmal spürt und auch dieses irre Netzwerk – das ist großartig. Das ist auch etwas, wo Frauen nachweislich anders aufgestellt sind als ihre männlichen Kollegen und wo dieses Programm ansetzt.
Wie viele Leute können mitmachen?
Jedes teilnehmende Land entsendet drei Künstler*innen und drei Innovator*innen, sodass wir insgesamt auf 72 Teilnehmer*innen kommen. Nach vier Jahren Programm sind das also mehr als 200.
Und wie geht es nach 2024 weiter?
Unsere Überlegung ist: Erstmal der Mikrokosmos Musikwirtschaft und dann die Frage, ob und wie sich unsere Erfahrungen vielleicht noch weitertragen lassen. Eins nach dem anderen – aber man darf ruhig groß denken.